Künstlerethik und Geldgesellschaft
Wenn geschachert wird - heute oder früher -, kann das auch komisch wirken. 1871 in Rußland bewegte Alexander N. Ostrowski (1823-1886), wie nach Aufhebung der Leibeigenschaft der verarmende Landadel durch Verkauf seiner Wälder zu Geld zu kommen suchte. Er schrieb seine Komödie „Der Wald", in der die geschäftsuntüchtige Gutsbesitzerin Raissa Gurmyschskaja vom gerissenen Holzhändler Wosmibratow übers Ohr gehauen wird.
Thomas Langhoff, der das Stück am Deutschen Theater in Berlin inszenierte, macht eben diesen Handel zur großen Szene. Habgierige unter sich. Lauterkeit heuchelnd, Rubel raffend. Mit feinsinniger Ironie modelliert der Regisseur die Charaktere.
Das schauspielerisch exzellent gebotene Spiel ergötzt nicht nur, es nährt den Glauben an die geistige Kraft des Theaters. Langhoff erschließt die realistische Substanz der Komödie. Er verliert sich nicht in Nebensächlichkeiten, er ist immer wesentlich. Welch Reichtum des Lebens. Aber nicht naturalistisch, sondern im Bühnenbild Volker Pfüllers, der einen romantischen Kulissen-Wald aufstellt, immer ein theatralisches Ereignis. Aktuell auch durch diverse kleine Anspielungen, frisch durch gelegentliche Korrespondenz mit den Zuschauern. Langhoff arrangiert beredt. Und Grashof spielt hinreißend.
Neues Deutschland, 28. Dezember 1992